Samstag, 9. Januar 2010

Erste Arbeitswoche in Masala

Der Alltag hat sich wieder eingeschlichen, denn am Dienstag war mein erster Arbeitstag in der neunen Einrichtung.

„St. Anthony Children’s Village“ ist ein Waisenhaus für 120 bis 140 Kinder. In dem Heim leben Waisenkinder, Kinder mit Behinderungen und Babys, Kinder und Jugendliche, die an HIV, Aids, oder Lepra erkrankt sind. Die Kinder werden vom Wohlfahrtsamt oder direkt von der Polizei dort hin gebracht. Sister Philomena sagt, dass das St. Anthony „eine Sammelstelle für die Kinder ist, die woanders nicht mehr gewollt sind“. Oft werden die Kinder auch direkt von ihren hilflosen und überforderten Angehörigen dort hin gebracht. Manchmal liegen sie am morgen auch einfach vor der Tür.
Insgesamt gibt es 5 Häuser. In einem der Häuser leben momentan 21 Kinder mit einer geistigen und körperlichen Behinderung. In einem andern Haus leben 25 Kleinkinder im Alter von einer Woche bis 2 Jahren. In einem anderen Haus wohnen die Kleinkinder, die bereits Laufen können. Dann gibt es noch 2 andere Häuser, in denen die größeren Kinder und Jugendlichen leben, die weniger Hilfe im Alltag benötigen.
Sister Philomena, die Gründerin und Chefin, bezeichnet das Heim als „Transithome“, denn sie sagt, dass ein Heim nicht die Familie ersetzten kann und ihr Ziel sei es immer, daraufhin zuarbeiten, dass die Kinder nach einer bestimmten Zeit wieder zurück in die Familie kommen. Zum Beispiel dann, wenn die Kinder groß genug sind, um Nshima zu essen. In Deutschland ist die Rückführung in die Familie auch eines der wichtigsten Ziele der Heimarbeit, doch in wie weit dieses Ziel hier erfolgreich angestrebt werden kann, weiß ich noch nicht. Ich kann mir vorstellen, dass es sehr schwierig ist. Zum einen habe ich, auch in dem anderen Heim, nie eine Zusammenarbeit mit den Eltern bzw. Angehörigen erlebt und zum anderen, kann ich mir vorstellen, dass es super schwierig ist, wenn eine Familie nach vielen Jahren ihren behinderten Sohn, Neffen, oder Enkel wieder aufnehmen soll.
Das Heim lebt von Spenden. Vom Wohlfahrtsamt bekommt es jährlich 2 – 3 Millionen Kwacha. Das sind nicht mehr als ca. 400 Euro. Wahnsinn, oder? Die Chefin sagte sehr optimistisch zu mir „Irgendwie schaffen wir’s immer!“

Die meisten Behinderungen sind darin begründet, dass die Mutter während der Schwangerschaft unterernährt war. Diese Kinder erkennt man daran, dass ihre Köpfe die Größe, eines Kleinkindes haben. Das Gehirn hatte in der Schwangerschaft keinen Platz, um sich zu entwickeln. Viele sind als Kleinkinder an Meningitis erkrankt. Ein Mädchen zum Beispiel wurde nach der Geburt und in den ersten Lebensjahren in einer kleinen Kiste gehalten…

Drei Mal in der Woche kommt für diese Kinder eine europäische Physiotherapeutin. Sie arbeitet „ehrenamtlich“ und bekommt dafür kein Geld. Sie hat mir jetzt in der ersten Woche einiges über die Kinder erzählt (ich hoffe ich hab das alles richtig verstanden, denn sie schmeißt mit englischen Fachbegriffen nur so um sich!). Dann ist da noch eine andere europäische Frau, die ein Mal in der Woche kommt, um mit den Kindern zu spielen. Das ist echt `ne Gute Sache, denn anders würden die Kinder wahrscheinlich gar nicht aus ihren „Betten“ herauskommen. Das kahle Schlafzimmer der Kinder ist erschreckend. Beim betreten bekomme ich immer wieder Gänsehaut. Teilweise liegen Jugendliche zu zweit auf einer Matratze in einem Bett. Es gibt ein paar wenige Rollstühle, die allerdings nicht genutzt werden. Wieder einmal ein Beispiel dafür, dass die Arbeiterinnen mit vielen Spenden nichts anzufangen wissen bzw. einfach nicht nutzen. Auch hier habe ich es bereits jetzt in der ersten Woche erlebt, dass die Frauen putzen, putzen, putzen, sich aber nicht um die Kinder kümmern bzw. keine Ahnung haben. So habe ich mit Linda in der Woche die Kinder in die wenigen Rollstühle, die zur Verfügung stehen, gesetzt und an die frische Luft geschoben.

In einem der Häuser wurde am Freitag eine kleine Feier für Spender organisiert. Alle gesunden Kinder durften daran teilnehmen, die behinderten Kinder blieben in ihren Betten. Auf meine Frage, warum die behinderten Kinder nicht auch daran teilnehmen, bekam ich zur Antwort, dass es draußen zu kalt für sie sei. Blödsinn- sobald eine Wolke am Himmel zusehen ist, ist es kalt!?! Dann begründeten sie es damit, dass sie ja geistig Behindert seien. Ach so, und deshalb dürfen sie kein Spaß haben? Ich hab’ mich natürlich durchgesetzt. Leider hat mir niemand geholfen die Kinder in dieses Haus zu bringen und so war ich fast eine Stunde damit beschäftigt, die Kinder in die vorhandenen Rollstühle zu setzten und dort hin zu bringen. Als ich fertig war, war ich nass geschwitzt und die Party vorbei. Womöglich hab ich mir damit bei den Arbeiterinnen auch keine Freunde gemacht. Dafür bei den Kinder!

Die Betreuung der Kleinkinder und Babys sieht ähnlich aus. Die Frauen putzen und putzen und putzen, und kümmern sich einfach nicht um die Kinder. Das ganze geht sogar soweit, dass die Kleinkinder morgens nach dem Füttern für MEHR ALS 2 STUNDEN auf ihren Töpfchen verbringen, bis die Frauen alles fertig geputzt haben. Ich frag mich was die mit den Kindern gemacht haben, dass die da auch tatsächlich 2 Stunden sitzen bleiben. Wahnsinn!

Tja, so habe ich mir in meiner ersten Woche erstmal einen Überblick in der Einrichtung verschafft. Eine Aufgabe habe ich nach 4 Tagen noch nicht gefunden, aber das habe ich auch nicht erwartet. Im Moment tendiere ich dazu, mich in den nächsten Monaten irgendwie mit den Kindern mit Behinderungen und den Kleinkinder zu beschäftigen. Wie ich das allerdings am Besten anstelle ist mir noch ein Rätsel, da es auch hier an Material mangelt.

Letzte Woche bekam ein kleines Mädchen, Roda, vielleicht 2 Jahre alt, meine ganze Aufmerksamkeit. Sie musste an meinem ersten Arbeitstag ins Krankenhaus um einen HIV Test zu machen. Die Kleine isst nicht, lacht nicht und zeigt auch sonst keine Reaktion. Sie ist total passiv. Die meiste Zeit des Tages hat sie ihre Augen geschlossen und schüttelt ihren Kopf langsam hin und her. Sie ist total abgemagert und hatte die ganze Woche Fieber. Ihr Handgelenk ist so dick, wie mein Daumen. Ihre Rippe und ihre Wirbelsäule ragen total hervor und wenn ich sie auf den Arm nehme, dann habe ich Angst ihr etwas zu brechen. Ich frage mich, was in diesem kleinen Köpfchen vor sich geht.
Am Freitag kam das Ergebnis: HIV positiv!

Phuuu…! Auch wenn ich von den Arbeiterinnen nicht sehr freundlich aufgenommen, sondern eher skeptisch beäugt wurde, keinerlei Einführung bekam, mir nichts gezeigt wurde, geschweige denn sie sich mir vorgestellt haben, bin ich mal optimistisch und denke mir, dass ich auch das schon irgendwie schaffe. Aller Anfang ist schwer :-) besonders hier in Afrika!

Meine neue Wohnung hingegen ist super. Ich fühl mich bereits jetzt richtig wohl dort. Nach einigen Tagen habe ich sogar einen Schalter für warmes Wasser gefunden. Was für ein Luxus!!! Das bringt mir jedoch auch nichts, wenn jeden Morgen kein Wasser aus der Leitung kommt. Auch zur Mittagszeit habe ich damit zu kämpfen. Aber dafür genieße ich es einen Markt genau vor der Haustüre zu haben. Auf meinem Speiseplan steht jeden Tag frisches Obst und Gemüse.

Bis bald wieder. Ich denke sehr oft an euch alle, eure Franzi

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